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(März 2001)

Pichi: Der Sänger von "Null Uhr Zehn"

von Wälz Studer

Pichi

Die Ariola entdeckte Pichi 1960 und wollte ihn zum Kinderstar machen. 1965 erst machte er mit der Nummer "Null Uhr Zehn" von sich reden. In den 70er Jahren tourte er als Pichi Palinoff mit einer eigenen Tanzband durch Europa. Heute begleitet er den Travestiekünstler Mary.

Die Zeitungen in der Schweiz übertrafen sich im September 1960 mit Superlativen, als der 15jährige Roger Bollier, den alle Pichi (spanisch für Schlingel) nannten, beim großen Ariola-Nachwuchswettbewerb den zweiten Platz belegte. Und dennoch wurde es nichts mit der großen Karriere des Roger Bollier. "Den großen Hit habe ich nie gehabt", meinte Pichi in einem Interview mit dem Schweizer Sender Radio Munot. Aber der "Schlingel" aus Zürich machte seinen Weg im Schaugeschäft. Die Etappen seiner Karriere sind nur bruchstückhaft aus ihm herauszulocken.

Pichi 2

Pichi wurde am 10. Februar 1945 in Zürich als Roger Bollier geboren. Seine Mutter war Spanierin und verpasste ihm den Namen "Pichi". Sie starb, als Roger knapp vierzehn Jahre alt war. Nach ihrem Tod erhielt der Junge eine Gitarre, auf der er mit Inbrunst herumklimperte. 1960 nahm er am großen Nachwuchswettbewerb der Ariola teil. Er qualifizierte sich fürs Finale in Karlsruhe, wo er den zweiten Platz belegte und einen Plattenvertrag erhielt. Interessanterweise ist jedoch bei Ariola in all den Jahren nie eine Single mit Pichi erschienen. Eine Erklärung dafür mag darin liegen, dass die Plattenfirma ihn zu stark auf das Image eines Kinderstars festlegen wollte. Pichi: "Ich sah mit 15 aus wie ein Elfjähriger. Ich war so etwas wie ein Kinderstar. Das hat mir später nicht zum Vorteil gereicht."

Pichi als Frontmann einer Beatband

Pichi tourte in jener Zeit mit Max Greger in Deutschland und mit Josephine Baker in Frankreich. Er nahm bei kleinen Labels wie Teleton zwischen 1961 und 1963 einige Singles auf, denen jedoch kein Erfolg beschieden war. In Zürich trat Pichi im Klub "Embassy" als Disc Jockey in Erscheinung. Zur gleichen Zeit gründete er die Beatband "Pichi and the Limelights". Sie bestand neben Pichi aus Walti Anselmo, der später der Rockband "Krokodil" angehörte, Werner Hitz, René Tiefenthaler und Kurt Wieny. Die Gruppe ist im übrigen auf der zweiten Single "Das geht, das geht vorbei" zu hören. "Pichi and the Limelights" gehören zu den ersten Beatbands der Schweiz und waren in Zürich absolute Lokalmatadoren.

Kultstatus für "Null Uhr Zehn"

Pichi 3

1964 und 1965 nahm Telefunken mit Pichi und zum Teil auch mit seinen "Limelights" zwei Singles auf. Vor allem die erste Aufnahme "Null Uhr Zehn" erreichte bei den Sammlern von Twist-Scheiben Kultstatus. Der Kult Discographie mag auch mit dem Mysterium des Interpreten zusammenhängen. Auf beiden Covern ist der Interpret nicht zu sehen, eine Praxis, die in jener Zeit absolut unüblich war. Ein Grund für die fehlenden Bilder mag darin bestehen, dass die Plattentitel in keinster Weise mit der Liveperformance von Pichi übereinstimmte. Auf Platte sang er Schlager, live schrie und krähte er die internationalen Rockstandards.

Die Jahre bis 1974 verbrachte Pichi erst mit seinen Limelights und nach deren Auflösung als Mitglied diverser Bands. 1974 stellte er seine eigene Band "Pichi Palinoff" zusammen, mit der er durch die Clubs und Tanzhallen Europas tingelte. 1983 schloss er sich dem Orchester von Bill Banger an, das als Begleitformation von Mary und Gordy fungierte. Als Bill Banger's Band diesen Job aufgab, blieb Pichi als Einzelmusiker bei dem Travestie-Duo. Nach dem Tod von Gordy ist Pichi nun für Mary tätig. Mit ihm feierte er im letzten September Premiere des neuen Programms.