63/6-13
(Dezember 1998)

Chris Howland, der Ur-Typ mit dem britischem Charme

Boing, boing: Mister Pumpernickel wurde 70 Jahre

von Horst-Dieter Czembor

Seine TV-Auftritte in der letzten Zeit beschränkten sich meistens auf Wortbeiträge in einer der vielen Talk-Shows, die den Fernsehzuschauern den Feierabend versüßen oder veröden sollen, je nach Betrachtungsweise. Am interessantesten davon war sicherlich sein "Gastspiel" bei Sabine Christiansen, das auf Mallorca aufgezeichnet wurde. Und in dem Chris sein früheres Domizil in der Calle Palmira in Paguera wiedersah, das er in den 60er Jahren als seine Altersversorgung errichtet hatte. Doch memory-Leser kennen Chris, den Unverwüstlichen, der am 30. Juli seinen 70. Geburtstag feierte, auch anders: Als flotten Rundfunksprecher, spitzigen TV-Moderator, eigenwilligen Schauspieler und vor allem als Sänger unvergesslicher Schlager.

Chris Howland

Seine Art, "leicht unterkühlt und poker-gesichtig über die linke Schulter zu singen", ist seit Jahrzehnten sein unveränderliches Markenzeichen. Seit genau 50 Jahren steht er 1998 vor dem Mikrofon. Als Plattenplauderer, als lausbübischer Gentleman, der augenzwinkernd mit einem "Boing" die klingenden Drehscheiben selbst angongt, die er auf den Plattenteller legt.

Der unverwechselbare "Sputnik", der "Heinrich Pumpernickel", der trotz inzwischen ausgezeichneter Deutschkenntnisse seinen typisch-britischen Akzent nicht abgelegt hat, hat auch als Schlagersänger große Erfolge verbuchen können. Als Beruf könnte aber auch Schauspieler oder Hotelier in seinem Pass stehen, denn Christopher Howland, wie er mit vollem Namen heißt, ist vielseitig begabt.

Rundfunkblut wird ihm praktisch in die Wiege gelegt. Als er am 30. Juli 1928 in London im Sternzeichen des Löwen das Licht der Welt Kinderfunkredaktion der Radiostation BBC. erblickt, ist sein Vater Alan Leiter der "So wurde ich zwangsläufig ein Fan des guten, alten Dampfradios, denn dort hörte ich Daddys Stimme öfter als zu Hause", versichert er noch heute augenzwinkernd.

Chris Howland 2

Trotzdem stellt er seine beruflichen Weichen zunächst in eine andere Richtung: Ehe er 1946 zum Militärdienst bei der Artillerie eingezogen wird, arbeitet er zwei Jahre lang bei einer Londoner Orgelfirma. 1948 hat Chris genug von Kanonen, er bewirbt sich als Ansager bei der Militärradiostation BFN. Als er den Job bekommt, verpflichtet er sich sogar länger und kommt nach Hamburg.

"Die Stadt war total zerstört, es war schrecklich", blickt Chris Howland zurück. Trotzdem verliebt er sich in die Elbmetropole, ohne zu ahnen, dass von dieser Stadt aus seine große Karriere starten sollte. "Am bedrückendsten waren für mich die bettelnden Kinder, die mir in den Straßen nachliefen, um eine aus- gerauchte Zigarette zu ergattern". Chris gewöhnt sich an, seine Glimmstängel bis an die Fingerspitzen aufzurauchen, den Rest heimlich in einen Gully zu werfen ... und seine "Lucky's" an die Kippensucher zu verteilen.

1952 bewirbt er sich, obwohl er die deutsche Sprache kaum beherrscht, als "Ansager beim damaligen NWDR Hamburg, wird nach dem "Vorsprechen" vom Fleck weg engagiert und wird Deutschlands erster Platten-Jockey. Welchen Glücksgriff die Hamburger Rundfunkleute damit getan haben, zeigt die Hörerpost: Die Sendung "Rhythmus der Welt" rangiert in der Zuhörergunst ganz oben.

Heute fast vergessen ist, er selbst kann sich im Gespräch mit memory auch nicht mehr genau daran erinnern, dass seine markante Stimme schon 1953 auch auf einer Schallplatte zu hören ist: Für Austroton reitet Chris Howland als "Der Schallplatten-Jockey" zwei Schellackseiten lang "Im Rhythmus der Welt" über Schlagerhürden wie Carioca, Blue Tango, Mäckie-Boogie, Delicado, Tea For Two, St.-Pauli-Blues und Botch-A-Me (Bestellnummer Austroton 3175 V).

1953 meldet sich auch das Fernsehen bei dem britischen Plattenplauderer: Chris Howland darf den Kommentar zu dem Fernsehspiel "Untergang der Titanic" sprechen, das live aus dem Hamburger TV-Studio ausgestrahlt wird, und in dem Heinz Reincke eine winzige Rolle spielt.

Chris Howland 3

Als sich ein Jahr später auch der Film bei ihm meldet, scheint für Chris Howland ein Lebenstraum in Erfüllung zu gehen. "Hollywood war immer mein Ziel", schmunzelt "Mister Punpernickel", wobei er nicht so sehr die amerikanische Filmmetropole meint, als vielmehr das internationale Filmgeschäft. In "Ball der Nationen" steht er als Dr. Johnson neben Stars wie Zsa Zsa Gabor, Gustav Fröhlich und Paul Henckels vor der Kamera.

In dem Streifen "Der Major und die Stiere" ist er ein Jahr später zu sehen. Insgesamt dreht Chris Howland bis 1965 rund 30 Filme, obwohl er niemals auch nur eine Stunde Schauspielunterricht gehabt hat. Von Musikfilmen über Karl-May-Streifen wie "Der Schut", "Winnetou" oder "Durchs wilde Kurdistan" bis hin zu Edgar-Wallace-Filmen wie "Der Henker von London", in dem Chris als Cabby Pennypacker zu sehen ist, reicht seine "Kinographie".

Doch zurück ins Jahr 1954: Beim WDR in Köln bekommt Chris die Sendung "Spielereien mit Schallplatten - Musik aus Studio B", die als Vorbild für seine spätere Fernseherfolgsserie "Musik aus Studio B" gilt. 61 Folgen sitzt Chris von 1961 bis 1969 auf dem Studio-B-Chefsessel

1958 erhält der Plattenplauderer einen Schallplattenvertrag als Sänger. Die Firma Columbia bietet ihm an, den Bobby-Helms-Titel "Fraulein" in einer deutschen Version zu singen. Am 12. Februar 1958 steht Chris im Maarweg 149 in Köln im Electrola-Studio, zusammen mit Paul Kuhn und seinen Musik-Mixern sowie den Bernd-Hansen-Sängern, einer Chorformation von Hans Blum.

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Drei Monate später, am 17. Mai 1958, wird die erste Single des singenden Platten-Jockeys in den deutschen Hitlisten notiert. Bis auf Platz 3 bringt es der Song, der mit typischen Germany-Tourismus-Klischees wie Rhein, Wein und "Fraulein" dem Briten auf den schlanken Leib geschrieben zu sein scheint: In Deutschland hat die Original Version mit Bobby Helms gegen Chris Howland keine Chance...

Als Sprecher hatte Chris "Sputnik Pumpernickel" Howland bereits 1957 einen Schallplattenerfolg. In einer seiner Sendungen stellte er "The Japanese Farewell Song", gesungen von Kay Cee Jones, vor. Die Reaktion des Publikums ist enttäuschend für ihn. Um dem Lied in Deutschland dennoch auf die Hitsprünge zu helfen, spricht Chris eine deutsche Übersetzung des Textes in der nächsten Sendung über den Gesang. Das Ergebnis: Tausende von Hörern wollen den "neuen Text des Songs von ihm haben.

In Chris reift deswegen die Idee, die deutsch/ englische Sing-Sprech-Version auf Platte zu veröffentlichen. Doch alle Plattenfirmen winken ab, bis auf die Hamburger TELDEC. Diese Firma kann sich später die Hände reiben, denn das "Japanische Abschiedslied" wird mit Chris' Kommentar auch in Deutschland ein Riesenerfolg...

Eine kleine Begebenheit am Rande: Bei der Aufnahme im Hamburger TELDEC-Studio kann Chris gleich eine weitere Fähigkeit beweisen. Er repariert eine defekte Hammondorgel, fachmännisch und ohne großen Zeitaufwand. "Mit den Dingern konnte ich ja seit der Tätigkeit vor meinem Militärdienst umgehen", lacht Chris heute.

Der unerwartete - erwartete "Fraulein"-Erfolg lässt die Kölner Plattenfirma Columbia weiter auf den Erfolgskurs des singenden Platten- Jockeys setzen. Nach der englisch gesungenen Cover-Version von Robin Lukes "Susie Darlin'" und "Verboten" wird mit "Das hab' ich in Paris gelernt" ein neuer Howland-Hit produziert. Horst-Heinz Henning, aus dessen Feder auch Paul Kuhns erster Erfolg "Der Mann am Klavier stammt, hat die Geschichte von dem perfekten Frauenliebling, der alle Tricks und Kniffe beherrscht, ohne dabei aus der Haut eines echten Gentlemans zu schlüpfen, für Chris Howland maßgeschneidert. 20 Wochen lang bleibt dieses Lied in den Hitparaden, es klettert bis auf den 3. Platz der Charts.

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Zwei Filme, "Tausend Sterne leuchten" und "Das blaue Meer und Du", in denen Chris zum ersten Mal auch als Sänger zu sehen ist, stehen ebenfalls auf der Habenseite seines Erfolgs 1959.

Ein Überraschungserfolg im selben Jahr ist "Kleines Mädchen aus Berlin", ein Lied, mit dem Chris Howland von seiner Plattenfirma zu den Schlagerfestspielen nach Wiesbaden geschickt wird. Chris fährt, singt ... und zieht sich schnell um, weil die Jury sein Lied auf keinen Spitzenplatz hebt. Doch Chris ist zu schnell: Ohne Bühnenanzug holt ihn die Regieassistentin vor dem Finale wieder aus der Garderobe, denn das Publikum hatte das "Kleine Mädchen aus Berlin" zum Publikumssieger gewählt...

Gerührt, überrascht und in Räuberzivil tritt Chris Howland noch einmal vor die Kamera und schwärmt erneut die rührende Geschichte von der "Kleenen aus Spree-Athen" ins Mikrofon.

1961 ist Chris Howland fest in die Ulk-Schublade des deutschen Schlagers "verladen". Altmeister Hans Bradtke reimt für ihn den Text von dem Hämmerchen und dem Sparschwein, zu dem Produzent Heinz Gietz sich die Noten einfallen lässt. Beide sind von dem kommenden Erfolg dieses Liedes so überzeugt, dass sie den verdutzten Chris am 5. Oktober 1961, nachdem einen Tag vorher das deutsche "Hämmerchen" im Kasten war, eine niederländische Version des Songs aufnehmen lassen.

Aber mein Holländisch war zu schlecht, da haben die Niederländer lieber die deutsche Aufnahme zwischen Rheinmündung und Zuiderzee verkauft", vermutet Chris Howland, warum seine niederländischen Sprachausflüge im Kölner Archiv unveröffentlicht verstaubt sind.

Mit der ARD-TV-Serie "Vorsicht Kamera" mit Helli Pagel, dem Bruder seiner langjährigen Freundin Sybille Pagel, die auch als Dany Mann Schlagerkarriere machte, knüpft Chris an seine Erfolge an. 1964 spielt er in dem internationalen Film "Fanny Hill" mit und kommt damit seinem Hollywoodtraum ein Stückchen näher, ohne ihn je zu erreichen...

Chris Howland 6

In Chris reift bald ein neuer Wunschtraum: Er möchte der erste Mensch auf dem Mars oder einem anderen Planeten sein. "Doch ich habe nie das richtige Verkehrsmittel gefunden", schmunzelt er heute. Chris beginnt auch, ein Buch zu schreiben. Über ein Elektronengehirn, wie Computer damals noch genannt werden. Doch mehr als vier Kapitel, die heute noch als "Unvollendete auf seinem Schreibtisch liegen, werden es nicht. Erst 30 Jahre später gibt es dann auch den Schriftsteller Howland: Chris veröffentlicht ein Taschenbuch mit Kurzgeschichten, die, aneinandergefügt, fast ein Stückchen Autobiographie ergeben...

Zurück in das Jahr 1965: Chris steigt aus, wie man heute sagen würde. Er baut sich auf Mallorca die Ferienanlage "Villa Columbus" und wird Hotelier. In der Calle Palmira, damals "sin numero", ohne Hausnummer, erwartet er als Gäste seine deutschen Fans. Und die kommen in Scharen, die Bungalowanlage entwickelt sich zum Dauerbrenner bei den Mallorca-Touristen aus "Old-Germany".

Chris lernt die Urlaubsinsel lieben und entdeckt auch den feinen Geschmack des spanischen Cognacs, der in seiner edlen Rasse dem schottischen Whisky ähnelt. "Ein paar Gläschen pro Tag, wenn ich mit benachbarten Hotelbesitzern Erfahrungen austauschte, mehr nicht", versichert der frischgebackene Hotelier. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Mallorquiner damals noch nicht den Eichstrich entdeckt hatten und deswegen die Cognacschwenker randvoll serviert wurden, ist das sicherlich mehr, als ein gesunder Mitteleuropäer vertragen kann. Als er im Sommer 1998 in der Bar seiner damaligen Spanienresidenz einkehrt, bestellt er Agua mineral, wie immer", und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

Zehn Jahre bleibt Chris auf der Urlaubsinsel, baut in dieser Zeit mit Günter Rudin das erste deutschsprachige Urlauberprogramm, das "Studio aleman", im Sender "Radio popular auf, und stellt einen persönlichen Weltrekord auf: Er lässt sich zweimal scheiden...

Bei seiner Rückkehr nach Deutschland muss er feststellen, dass ihn zwar nicht sein Publikum, wohl aber die Veranstalter vergessen haben. Chris muss tingeln, verdingt sich als Conférencier in Kaufhäusern, bei Werbeveranstaltungen und auf Kaffeefahrten. 1976 erhält er dann beim WDR in Köln eine neue Chance. Mit , Gestatten, neue Platten" meldet er sich bei den Hörern des Dampfradios zurück. Auch "Musik aus Studio B" serviert er später beim Hamburger NDR wieder über Ätherwellen.

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Daneben erntet er als Schauspieler Erfolge, bringt als Eunuch im "Land des Lächelns" die Zuschauer zum Lachen und spielt in Hamburg bei Peter Ahrweiler in der Komödie "Der Lord und das Kätzchen" mit..

1982 ist er auch wieder im Fernsehen zu sehen: Rekorde aus dem Guinnessbuch zeigt die Serie "Chris Howland präsentiert Höchstleistungen". Rekordeinschaltquoten bringt ihm das zwar nicht ein, doch Chris ist wieder im Gespräch. 1988 erscheint sein vorerst letztes Album "100 Jahre Chris Howland", gedacht als augenzwinkerndes Opus zu seinem 60. Geburtstag und seinen 40 Deutschlandjahren. "Die Idee war gut, das Ergebnis weniger", zieht Chris Howland heute, zehn Jahre später, eine ehrliche Bilanz.

Ehrlich und auch gut ist im Frühjahr 1993 die Idee, deutschen Schlagern der 60er Jahre zu neuen TV-Ehren zu verhelfen. Seine "Küsse unterm Regenbogen" kommen live aus Diskotheken auf die Mattscheiben in den Wohn- zimmern der Fans, ausgestrahlt im 3. Programm des WDR.

1993, nach Zukunftsplänen befragt, lächelt "Mister Pumpernickel": "Weiter bei Galas auftreten, im Fernsehen weiter "unterm Regenbogen küssen und vielleicht ein Buch schreiben". Ein Buch, Memoiren etwa? "Keine Angst, es wird eine Sammlung von Kurzgeschichten, die ich meinem Computer erzähle", versichert Computerfreak Chris Howland. Ob er sich damit einen Platz in der Literatur gesichert hat, er weiß es nicht. Denn inzwischen ist, siehe weiter oben, das Buch erschienen. Ich habe es gelesen und geschmunzelt. Mir hat es gefallen, besonders seine rekordverdächtige "Leistung" in Hamburg...

In der Kultur hat sich Chris Howland bereits seinen Stammplatz gesichert. Denn an seinem 70. Geburtstag würdigte nicht nur die "Westfälische Rundschau" ne bisherigen Leistungen auf der Kulturseite...

Und auch von dieser Stelle, wenn auch nachträglich: Herzlichen Glückwunsch, Chris Howland, zum 70. Geburtstag. Mach weiter so, bleib, wie Du bist, und "Danke"! Danke für all' die schönen Stunden, die Du uns mit Deiner typischen, manchmal trockenen Art, geschenkt hast...