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(Juni 1998)>

Rainer Bertram

Aus dem Sänger wurde ein Erfolgsregisseur

von Walter Hilbrecht

Auf seinem Weg vom Schauspieler zu einem der profiliertesten Unterhaltungsregisseure des Deutschen Fernsehens unternimmt er einen Abstecher ins Schlagergeschäft. Mehrmals verpasst er ganz knapp den großen Hit. Obwohl ihm später dann doch noch der Einstieg in die Bestsellerlisten gelingt, sattelt er kurzentschlossen um und versucht sein Glück hinter der Kamera.

Rainer Bertram

Eigentlich soll der am 19.12.1932 in München geborene Rainer Bertram Architekt werden wie sein Vater. Da es ihn aber viel mehr zum Theater zieht, bricht er sein Studium an der Bauhochschule bereits nach 3 Semestern ab und beginnt stattdessen eine Schauspielausbildung. Nachdem er 1953 die Prüfung abgelegt hat, erhält er die ersten Engagements an verschiedenen Bühnen in München und Hamburg. Trotz seines guten Aussehens spielt er nicht den Liebhaber, sondern überwiegend jugendliche Charakterrollen, beispielsweise den Bruno in Hauptmanns "Die Ratten".

Daneben entwickelt er eine besondere Vorliebe für das Kabarett. Doch dafür bleibt nur wenig Zeit, denn bald meldet sich auch der Film und selbst das Fernsehen, damals noch in den Anfängen, bietet ihm Rollen an. So kann man ihn neben Horst Tappert in dem Stück "Soledad" sehen, das am 4.8.1957 ausgestrahlt wird.

Der junge Nachwuchsschauspieler ist auch musikalisch begabt. "Meine Mutter war Sängerin und sorgte dafür, dass ich bereits als Kind Klavierstunden bekam", erzählt Rainer Bertram. Da er obendrein eine gute Stimme besitzt, besingt er für das Billig-Label TEMPO Schallplatten, auf denen er die Hits populärer Schlagerstars kopiert. Immerhin springt dabei ein kleiner Nebenverdienst heraus, denn die Gagen, die er als Schauspieler erhält, sind in der Regel eher bescheiden.

1959 veranstaltet Radio Luxemburg das erste Deutsche Schlager-Festival. Für die Vorentscheidung im Hörfunk macht Rainer Bertram mehrere Demo-Aufnahmen, von denen einige das Finale erreichen, das im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in Wiesbaden stattfindet. Folglich gehört auch Rainer Bertram zu den Teilnehmern.

"Als Schauspieler war ich es ja gewohnt, vor Publikum aufzutreten. Aber die fast sechstausend Zuschauer in der Rhein-Main-Halle, das war schon eine neue Erfahrung", erinnert er sich heute.

Lampenfieber hat er dennoch nicht, da er die ganze Sache gar nicht so wichtig nimmt. Er singt seine Lieder, nimmt den Beifall des Publikums entgegen und ist völlig überrascht, als er mit "Jenny-Jo" auf dem dritten und mit "Blacky Jones" auf dem zweiten Platz landet. Klar, dass sich sofort die wichtigsten Leute aus der Branche um ihn scharen. Sie winken mit Verträgen und machen große Versprechungen. Rainer Bertram, der sich mit den Gepflogenheiten im Schlagergeschäft nicht auskennt und sein erfolgreiches Abschneiden selbst noch nicht so recht fassen kann, unterschreibt ohne lange zu überlegen bei mehreren Firmen gleichzeitig.

Von der Presse wird er als kommender Star bejubelt. Der einzige Wermutstropfen bei der Sache ist, dass seine beiden Siegerlieder bei "Tempo" veröffentlicht werden, was die Aussichten auf kommerziellen Erfolg von vornherein erheblich einschränkt. Sangeskollege Teddy Palmer, der die Titel bei Electrola veröffentlicht, schafft damit mühelos den Einstieg in die Charts. Rainer Bertram geht dagegen leer aus.

Die Streitigkeiten, die sich daraus ergeben, dass er nun gleichzeitig bei verschiedenen Firmen unter Vertrag steht, werden nach kurzem juristischen Hin und Her beigelegt und er kann schließlich bei METRONOME die ersten Aufnahmen machen.

Rainer Bertram 2

Mit seiner Karriere geht es im Eiltempo voran. 1960 nimmt er an der Deutschen Vorentscheidung zum Grand Prix teil und ist in dem Spielfilm "Pension Schöller" zu sehen. Hier darf er die von Martin Böttcher und Michael Jary komponierten Titel "Sie hatte grüne Augen, rote Haare" und "Jup, Jup, Jumbo" singen. Allerdings nur im Film, denn auf Platte werden sie mit Boy Berger veröffentlicht.

Unterdessen kann sich Bertram darüber freuen, dass sich seine zweite Metronome-Single "Barfuß", eine Cover-Version des Steve-Lawrence-Hits "Footsteps", recht ordentlich verkauft.

Anschließend versucht er sein Glück mit ,,Karina Lu", ein Titel, den bereits Erik Herrschmann und Detlef Kraus herausgebracht haben.

Die Fassung mit Herrschmann, der später als Erik Silvester bekannt wird, landet als einzige in den Bestsellerlisten. Auch mit dem eingedeutschten Elvis-Presley-Song "The Girl Of My Best Friend" hat Rainer Bertram keinen nennenswerten Erfolg. Er wechselt zur Polydor, wo ihm in Werner Cyprys, ein erfahrener Produzent, zur Seite steht.

Cyprys legt sich auch gleich mächtig ins Zeug und nimmt mit ihm den "Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini" auf, im Original ein Hit mit Brian Hyland. Doch auch andere Interpreten wollen am Erfolg dieser Nummer teilhaben und so gibt es gleich mehrere Fassungen in deutscher Sprache. Die Plattenkäufer entscheiden sich für die Version mit Caterina Valente & Silvio Francesco, die schon bald alle Hitparaden anführt. Für den Schlagerfilm "O sole mio" engagiert man jedoch Rainer Bertram mit seiner Aufnahme des Liedes, was seine Popularität ganz enorm steigert.

Das Schlagerbusiness nimmt ihn mittlerweile so sehr in Anspruch, dass er sich dazu entschließt, seine Theaterkarriere vorerst aufzugeben.

Bald darauf landet er bei Erfolgsproduzent Gerhard Mendelson und lernt dadurch die Sängerin Gina Dobra kennen, eine junge Bulgarin, der man eine große Zukunft prophezeit. Beide verlieben sich ineinander, doch die Romanze nimmt ein tragisches Ende: Im April 1961, auf der Heimfahrt von einer Veranstaltung, wird Rainer Bertram von einem anderen Fahrzeug geschnitten und fährt mit 170 Stundenkilometern gegen einen Baum.

Bei dem Unfall wird Gina Dobra lebensgefährlich verletzt und erwacht erst nach Tagen aus ihrer Bewusstlosigkeit Rainer Bertram kommt relativ glimpflich davon und kann nach kurzem Krankenhausaufenthalt seine Karriere fortsetzen. Doch die reißerischen Presseberichte über den Unfall bleiben nicht ohne Folgen, denn man hat ihn als leichtsinnigen und rücksichtslosen Raser abgestempelt. So kommt es, dass seine Aktien an der Schlagerbörse sinken.

Plattenmäßig läuft es mehr schlecht als recht. Selbst seine musikalische Hommage an Frankreichs Sex-Symbol "Brigitte Bardot" bringt nicht den ersehnten Charts-Erfolg, obwohl sich zwei weitere deutsche Fassungen dieses Songs - im Original ein Hit aus Südamerika - in den offiziellen Verkaufslisten platzieren können, wobei die Interpreten Rolf Peer bzw. Hawe Schneider bei weitem nicht über den Bekanntheitsgrad Bertrams verfügen.

Da er im Schlagergeschäft keine Zukunft mehr sieht, versucht er seine Schauspielerlaufbahn fortzusetzen. Doch die Intendanten und Regisseure winken ab: Ein Schnulzensänger als ernsthafter Schauspieler? - Nein danke...- So sieht sich Bertram gezwungen, nach Österreich auszuweichen. Im Raimund-Theater in Wien wirkt er in Operetten und Singspielen mit, bis ihn Friedrich Hollaender 1962 nach Berlin holt. Langsam geht es wieder aufwärts.

Nicht zuletzt die Mitwirkung in dem Spielfilm "Dicke Luft", in dem er neben Willy Millowitsch agiert, trägt dazu bei, dass man sich plötzlich auch in der Plattenbranche wieder an ihn erinnert. Zunächst entstehen einige Aufnahmen für das Kleinlabel "Jupiter", die auf Bertrams Wunsch allerdings unter dem Pseudonym "Alexander Bergau" veröffentlicht werden.

Ende 1962 geht er mit dem Metronome-Produzenten Günter Henne ins Studio, um den Paul-Anka-Song "Give Me Back My Heart" zu covern, der in Deutschland als B-Seite von "Eso Beso" erschien. Henne ist darauf bedacht, der deutschen Fassung eine eigene Note zu geben. Die Titelzeile wird zwar korrekt übersetzt, doch aus der Story vom Ende einer Beziehung, wie sie im Original erzählt wird, macht Schlagertexter Carl Ulrich Blecher in der deutschen Version den Beginn einer Liebesgeschichte. Ein einfacheres Arrangement und Rainer Bertrams unaufdringlich-lockerer Gesang sorgen dafür, dass sich der Titel beim Publikum durchsetzt.

Damit feiert er ein glanzvolles Comeback als Sänger und schafft nun endlich den Sprung in die Bestsellerlisten.

Rainer Bertram 3

Bei Funk und Fernsehen ist er wieder gefragt und nimmt als Duettpartner der Schwedin Ann-Louise Hanson, die bei derselben Plattenfirma unter Vertrag steht, an den Deutschen Schlagerfestspielen teil. Mit "Es braucht ja nicht Hawaii zu sein" landen sie in Baden-Baden zwar nur im Mittelfeld, dafür aber schon wenig später in den Charts. Doch auf dem Höhepunkt seiner Sängerlaufbahn tritt Rainer Bertram von der Schlagerbühne ab.

"Ich habe mich in zunehmendem Maße dafür interessiert, Regie zu machen", meint er rückblickend dazu, "die Singerei, der Schlager - das hat sich halt eher zufällig so ergeben. Ich habe es eigentlich nie mit wirklicher Ernsthaftigkeit betrieben. Und als ich dann 1964 die Möglichkeit erhielt, bei Hans Mehriger am Schweizer Fernsehen meine erste Regieassistenz zu übernehmen, habe ich sofort zugegriffen."

Vom Schweizer Fernsehen wechselt er zum WDR und landet schließlich beim RIAS Berlin, wo er ab 1966 selber Regie führt. Vor allem mit seinen zahlreichen Porträts und Specials berühmter Künstler kann er sich rasch profilieren und gehört bald zu den führenden Show- und Unterhaltungsregisseuren des Deutschen Fernsehens.

Seinen Beruf übt er auch heute immer noch aus. Doch ebenso weiß er es zu schätzen etwas mehr Zeit und Muße zu haben. Beispielsweise um Musik zu hören, wobei er Jazz und Klassik bevorzugt. Oder um sich anzuschauen, was die Kollegen vom Fernsehen machen. Ansonsten leisten ihm seine 4 Katzen Gesellschaft, die dafür sorgen, dass es langweilig wird.